Manchmal gibt es Situationen, da fällt es einem wie Schuppen von den Augen.
Im folgenden zu beschreibendem Fall, ist es mir nicht einmal klar, was der Auslöser war.
Entstanden ist der Gedanke während des Gespräches mit zwei Kollegen, Michael Pilz und Walter Stach, aber der Humus auf dem dies gedieh geht wahrscheinlich weiter zurück, zumindest auf die Diskussion mit Wolfgang Ullrich.
Nun zu den Schuppen:
Als Künstler versuche ich möglichst ehrlich aus meinen eigenen Gefühlen zu schöpfen, diese künstlerisch auszudrücken, in Bildern zu verarbeiten und schließlich einem Publikum zu zeigen. Mir ist es ein Anliegen Menschen aus dem Publikum zu berühren, zu bewegen, vielleicht auch in ein Gespräch mit mir zu kommen.
So weit so trivial.
Wer ist dieses Publikum? Zum Teil sind es andere Künstler, die ebenso empfinden und mit denen es interessant ist in Austausch zu treten.
Was aber mit den nicht-Künstlern? Und diese sind doch noch immer in der überwiegenden Mehrzahl der Gesellschaft.
Dieses Publikum lernt, was Kunst ist, in erster Linie in den Museen moderner Kunst und in den Medien, die über diese berichten. Da sieht es einen Mark Rothko, einen Picasso, oder einen Donald Judd.
Es sieht diese Künstler genauso, wie es das Logo von Mac Donalds, Apple, oder Nike sieht. Es werden wegen der Autorität dieser Künstler deren künstlerische Sprache auswendig gelernt, wiedererkannt und diskutiert. Dies ist Kunsterziehung vom Feinsten, denn es handelt sich um unbestreitbare Größen der Kunstgeschichte. Manchmal geht dieses Publikum auch in bekannte Galerien, oder größere Kunstmessen und dann wird auch Baselitz, Richter oder Jeff Koons gelernt.
All das ist ehrenhaft, hat aber mit dem zu Beginn formulierten Anspruch, dass Kunst mit den Gefühlen des Künstlers zu tun haben soll und dies möglichst ehrlich, nichts im Geringsten zu tun. Niemand hat nur die blasseste Ahnung, was Mark Rothko angetrieben hat, seine Bilder so zu malen, wie er es tat. Dabei wäre dies noch relativ einfach zu erforschen. Bei Picasso ist dies wegen der Vielfalt schon absolut unmöglich.
In anderen Worten, wir haben es in der Kunstwelt mit des Kaisers neuen Kleidern zu tun, die sich aus sich selbst heraus definieren, weil deren Künstler so berühmt geworden sind, dass man deren Sprache auswendig lernt. Eine ganze Gesellschaft lernt einen Kauderwelsch von Kunstsprache, der nichts mit den Gefühlen der Künstler und schon gar nichts mit den Gefühlen der Betrachter zu tun hat.
Jetzt finde ich mich plötzlich als Künstler wieder, in einem System zweier völlig verschiedener Verständnis - Welten. Und ich muss erkennen, dass meine Welt kein Publikum hat. Und die Welt des Publikums nicht meine ist. Jetzt erst verstehe ich, dass, fast jeder in der gebildeten Mittelschicht sehr viel auf sein Interesse an Kunst hält, aber im Gespräch mit mir es immer nur um die Farben Rothkos, oder die Busen bei Jeff Koons geht, nie aber womit ich ringe, was ich ausdrücken möchte, ob das ehrlich ist, was ich meine, etc.
Wenn man also das Lesen von Kunst identisch mit dem Lesen von Logos von Mac Donalds oder Nike sieht, und mit fortgeschrittenem Bildungsgrad eben auch mit dem Duktus von Picasso, dann spielt sich die Kunstrezeption auf rein dekorativem Niveau ab. Und ich wage zu behaupten, dass dies in der überwiegenden Zahl des Publikums der Fall ist. Es geht gar nicht um Rezeption, es geht um Befriedigung durch Wiedererkennung. Wenn also meine Malerei expressionistische Züge hat, dann ist sie gegebenenfalls wegen dieser Wiedererkennung interessant. Alles andere ist uninteressant. Künstler, wie Roy Lichtenstein oder Andy Warhol haben das erkannt und bestens eingesetzt.
Ich bin also Künstler in einer Welt ohne Publikum. Das Berühren, von dem ich lebe, gibt es eigentlich gar nicht. Ist eine Chimäre.
Was tun?
Mein Publikum suchen.
Wenn es das aber nicht gibt?
Dann zuerst einmal erklären, was ich gefühlt habe, warum ich dieses Bild gemalt habe. Vielleicht dabei erst mir selbst darüber klar werden, was in mir vorgegangen ist, sodass ich dieses Bild malte.
Nun kommt sofort der Protest beim Publikum, ich zerstöre seine Fantasie über dieses Bild. OK. Deshalb ist es genauso wichtig, wie die eigenen Beweggründe zu nennen, auch das Publikum einzuladen, seine Assoziationen zu nennen. Psychoanalytisch gesehen befinden wir uns in einer Matrix, in der alle diese Assoziationen wichtig und richtig sind.
Michael Pilz erzählte mir die Geschichte, in der ein Kunstpädagoge bei seinem Publikum fragte, warum eine Person einen gelben Schal angezogen hat. Auf die Antwort der betreffenden Person hierauf, fragte er die gleiche Frage nochmals. So als ob er die erste Antwort als nicht ausreichend oder nicht richtig akzeptierte. Und dann nochmals und nochmals, bis die betreffende Person Antworten erfand. Und diese Antworten waren genauso wichtig.
Ich behaupte, dass erst in solchen Gesprächen der Betrachter vom dekorativen Kunstverständnis zu einer Kunstrezeption kommt.
Und was würde es heißen das Publikum abzuholen, wo es ist? (Der Künstler als Taxifahrer).
Dann müssten wir von Mac Donalds und Nike Logos ausgehen und von diesen weiterarbeiten:
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